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Eingliederungshilfe im Wandel: Josef Hartl zieht nach 35 Jahren beim Bezirk Oberpfalz Bilanz

REGENSBURG. Mit einem Blick zurück auf 35 Jahre im Dienst der sozialen Teilhabe verabschiedet sich Josef Hartl, langjähriger Referatsleiter der Sozialverwaltung des Bezirks Oberpfalz, in den Ruhestand. Seine Karriere ist eng verbunden mit einem tiefgreifenden Wandel in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen – weg von reiner Fürsorge, hin zu echter Inklusion.

Vom Fürsorgeprinzip zur Personenzentrierung

Als Hartl 1990 seine Laufbahn beim Bezirk begann, orientierte sich die Unterstützung für Menschen mit Behinderungen stark an der jeweiligen Einrichtung: Werkstätten, Internate oder Tagesstätten prägten das Bild. „Damals stand der Fürsorgegedanke im Mittelpunkt“, erinnert sich Hartl. Die Hilfen wurden weitgehend pauschal über Einrichtungen gewährt – ein Ansatz, der sich in den folgenden Jahrzehnten grundlegend ändern sollte.

Anfang der 2000er-Jahre setzte ein Paradigmenwechsel ein. Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006, die 2009 in deutsches Recht übernommen wurde, lieferte den entscheidenden Impuls: Die Gesellschaft selbst muss Barrieren abbauen und nicht umgekehrt die Menschen mit Behinderung zur Anpassung zwingen. Dieser Perspektivwechsel mündete in konkreten Veränderungen – strukturell wie inhaltlich.

Neue Wege in Arbeit, Wohnen und Frühförderung

Heute setzt der Bezirk Oberpfalz auf dezentrale Angebote und individuelle Unterstützung. Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten wurden weiterentwickelt, Förderstätten ausgebaut. Die Sozialverwaltung arbeitet eng mit Eltern und Einrichtungen zusammen, um Frühförderung, Teilhabe und Entwicklungspotenziale von Anfang an zu unterstützen.

Projekte wie das „Budget für Arbeit“ oder „BÜWA – Begleiteter Übergang Werkstatt – allgemeiner Arbeitsmarkt“ schaffen dabei neue Chancen für Menschen mit Behinderungen. Mit Außenarbeitsplätzen in Einrichtungen wie dem Café Vielfalt in Regensburg oder dem Museumscafé Flossenbürg entstehen Brücken zum ersten Arbeitsmarkt – mit wachsendem Erfolg. Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial inklusiver Beschäftigung und verzichten freiwillig auf die Ersatzabgabe, die bei Nichtbesetzung gesetzlich vorgeschriebener Inklusionsstellen fällig wird.

Vernetztes Handeln für mehr Teilhabe

Der Bezirk Oberpfalz arbeitet inzwischen eng mit dem Inklusionsamt, dem Integrationsfachdienst und den neu geschaffenen Ansprechstellen für Arbeitgeber zusammen. Ziel ist, passende Arbeitsplätze zu vermitteln – orientiert an den individuellen Fähigkeiten der Menschen.

Ein weiterer Schritt zur Personenzentrierung ist das sogenannte Gesamtplanverfahren, das Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen direkt in die Festlegung ihrer Leistungen einbezieht. Mit dem neuen Instrument BIBay zur Bedarfsermittlung wird seit Kurzem in einem bayernweiten Pilotprojekt erprobt, wie die Hilfen noch besser auf den tatsächlichen Unterstützungsbedarf abgestimmt werden können. Auch vier Werkstätten in der Oberpfalz nehmen daran teil.

Referatsleiter Josef Hartl (2.v.re.) mit Gattin und Bezirksdirektor Dr. Benedikt Schreiner sowie die Leiterin der Sozialverwaltung Marje Mülder (3.v.re.) beim Festakt zum Abschied. Foto: Bezirk Oberpfalz

Abschied mit klarer Botschaft

Zum Abschied betont Josef Hartl: „Die Eingliederungshilfe hat sich als verlässlicher Partner für Menschen mit Behinderungen, ihre Familien und die Gesellschaft bewährt und weiterentwickelt.“ Trotz finanzieller Engpässe und Fachkräftemangels bleibt er optimistisch. Der Weg in eine inklusive Gesellschaft sei zwar anspruchsvoll, aber lohnend – und nur mit stetigem Engagement und Offenheit für Neues zu bewältigen.

Mit seinem Ausscheiden verliert der Bezirk einen prägenden Gestalter der Oberpfälzer Versorgungslandschaft. Hartl hat nicht nur Veränderungen mitgetragen, sondern aktiv vorangetrieben – und damit Spuren hinterlassen, die über seinen Ruhestand hinauswirken werden.