Landkreis Neustadt an der WaldnaabOberpfalzWirtschaft

Schweinehalter schwer gebeutelt

OBERBIBRACH. Die Schweinebranche wird derzeit durch die schlechte Preissituation am Markt schwer gebeutelt. Auf der einen Seite geht es derzeit für viele Betriebe ums Überleben. Auf der anderen Seite werden Diskussionen über den Umbau der Tierhaltung geführt – das kostet Geld – das die Betriebe unter den derzeitigen Bedingungen nicht haben.

Seit der Corona-Krise ist ein starker Preisverfall beim Schweinefleisch zu verzeichnen. Doch nicht nur die Pandemie, auch die Restriktionen durch die Afrikanische Schweinepest haben die Preise einbrechen lassen. Am deutschen Markt sind hauptsächlich Edelteile, wie das Filet oder die Lende gewünscht. Auf dem europäischen Markt schlecht vermarktbare Teilstücke, wie z.B. die Füße gingen bisher an den chinesischen Markt. Seit Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest, darf kein Fleisch in den chinesischen Markt eingeführt werden. Der fehlende Absatzmarkt lies die Preise weiter sinken.

Weiter befeuert wurde die schlechte wirtschaftliche Situation durch die Energiekrise. Allen voran bei den Schweinezüchtern. Der Energieeinsatz für die kleinen Ferkel ist hoch, denn im Abferkelbereich werden den Sauen und ihren Ferkeln beheizte Ferkelnester bereitgestellt, um den Tieren einen möglichst guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Die gestiegene Inflation zeigt uns auch einen Rückgang des Absatzes von Bioprodukten oder Fleisch aus höheren Haltungsstufen. Der Verbraucher kauft in Krisenzeiten preisbewusst. Die Gesellschaft wünscht einen Umbau der Tierhaltung, verhält sich aber entgegen dieser Meinung an der Ladentheke.

Herausforderung: Strukturbruch

In den letzten zwölf Jahren haben wir in Bayern 53 Prozent unserer Schweinehalter verloren, die Zahl bayerischer Schweine reduzierte sich um knapp 30 Prozent. Besonders deutlich ist dabei die Situation bei den Ferkelerzeugern. Der Landkreis Passau hat in den letzten zwanzig Jahren 50 Prozent der Sauenhalter verloren. Hiesige Schweinehalter müssen deshalb auf Ferkel aus anderen Regionen zurückgreifen, um die Mastplätze zu belegen.

Um den Strukturbruch zukünftig einzudämmen, benötigt die Landwirtschaft dringend die Umsetzung des Gesamtkonzepts der Borchert Kommission. Dort wurde ein Plan festgelegt, wie die deutsche Landwirtschaft wieder zu mehr Wettbewerbsfähigkeit gelangen kann. Es reicht nicht aus, die höchsten Tierhaltungsstandards auf dem Papier festgelegt zu haben, wenn keine Betriebe mehr da sind, die diesen Regeln und damit den Tieren Rechnung tragen. Eines ist bereits jetzt deutlich: Ein Betrieb der seine Produktion eingestellt hat, wird damit nicht wiederbeginnen und ist damit für immer verloren.

Stichwort: Borchert Kommission
Die Borchert Kommission ist ein Expertengremium aus festgelegten Vertretern z.B. aus der Wissenschaft, der Tierhalter*innen, des Tier- und Umweltschutzes und der Länder uvm. Die Kommission arbeitet seit 2019 am Umbau der Tierhaltung und hat am 11. Februar 2020 eine Empfehlung an die Bundesregierung abgegeben, wie dieser Umbau durchführbar ist.

Wenn die Betriebe nicht gerettet werden können, ist das Ergebnis immer, dass mehr Fleisch aus Drittländern mit weitaus niedrigeren Standards, weiteren Transportkosten und wenig Transparenz importiert werden müssen. Außerdem geben wir mit jedem verlorenen Betrieb ein weiteres Stück unserer Ernährungssicherheit in Deutschland auf.

Verpflichtende Herkunftskennzeichnung für alle Lebensmittel

Die Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln trägt wesentlich zur Transparenz in der Wertschöpfungskette bei und ist ein belegter Verbraucherwunsch.

Gerade vor dem Hintergrund deutlich höherer gesetzlicher Anforderungen z.B. bei Sozialstandards sowie im Umwelt-, Klima- und Tierschutz in der EU im Vergleich zu Drittstaaten, gewinnt die Kennzeichnung der Herkunft an Bedeutung und Aussagekraft. Mit Hilfe einer Herkunftskennzeichnung können Verbraucher ihre Kaufentscheidung gezielt treffen.

Aktuell gibt es in verschiedenen Bereichen eine verpflichtende EU-weit geltende Herkunftskennzeichnung, zum Beispiel für frisches Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch, frisches Obst und Gemüse sowie Honig. Einzelne EU-Mitgliedstaaten haben außerdem für weitere Produkte (z.B. Milch) Regelungen auf nationaler Ebene eingeführt, zum Beispiel Frankreich und Italien. Darüber hinaus gibt es freiwillige Herkunftskennzeichnungen, wie zum Beispiel die staatlichen Siegel Geprüfte Qualität Bayern (GQB) und Bayerisches Bio- Siegel (BBS). Diese bereits vorliegenden Siegel sollten weiter ausgebaut und genutzt werden.

Nicht zuletzt bietet auch der Einkauf direkt beim Erzeuger (Einkaufen auf dem Bauernhof) die Möglichkeit, sich als Verbraucher der Herkunft der Lebensmittel gewiss zu sein.

Die bestehenden Kennzeichnungen decken nicht den gesamten Lebensmittelmarkt ab.

„Blinde Flecken“ sind insbesondere verarbeitete Produkte und das gesamte Segment des Außer-Haus Verzehrs, dessen Bedeutung ständig zunimmt. Darüber hinaus ist der Produktbereich Milch und Milchprodukte bisher nicht von einer EU-weit verpflichtenden Herkunftskennzeichnung erfasst.

Der Flickenteppich zu verpflichtenden Regelungen für die Herkunftskennzeichnung innerhalb der Europäischen Union ist mit Blick auf einen EU-weiten Markt und Wettbewerb nicht akzeptabel.

Die Lösung für unsere Landwirtschaft ist eine EU-weit einheitliche verpflichtende Herkunftskennzeichnung für alle Lebensmittel. Dadurch steigt die Transparenz und der Verbraucher kann auch bei verarbeiteten Lebensmitteln und im Außer-Haus Verzehr zu regionalen Lebensmitteln greifen.

Glückliche Ferkel: Das Tierwohl steht bei der Familie Thurn in Oberbibrach an erster Stelle. Doch muss dieser Aufwand auch bezahlt werden.
Foto: rw

Verpflichtende Haltungskennzeichnung

Der Lebensmitteleinzelhandel hat es uns mit der Haltungskennzeichnung oder Initiative Tierwohl bereits vorgemacht, wie eine Haltungskennzeichnung bei Frischfleisch aussehen kann. Die Politik ist derzeit uneinig, wie eine gesetzliche Haltungskennzeichnung aussehen kann. Für die Betriebe in Bayern ist aber sicher: Die derzeit erzielten Preise bezahlen den Umbau der Tierhaltung nicht. Die Politik muss uns den Rücken bei den Kosten z.B. für mehr Platzbedarf stärken. Dies benötigt ebenso die notwendigen Rahmenbedingungen im Baurecht und Immissionsrecht. Die verpflichtende Haltungskennzeichnung darf auch nicht bei den Frischeprodukten zu Ende sein. Es muss auch bei den verarbeiteten Lebensmitteln für den Verbraucher erkennbar sein, in welcher Haltungsform das Tier gehalten wurde, um vollständige Transparenz und Fairness am Markt zu garantieren. Tierische Produkte aus anderen Ländern müssen sich somit entweder an die gleichen Regeln halten, oder es muss klar erkennbar sein, dass dieses Erzeugnis aus einer niedrigeren und damit billigeren Haltungsform kommt.

Sowohl bei der Haltungs- als auch der Herkunftskennzeichnung wünschen sich die Bauern keine deutschen Alleingänge. Außerdem ist durch die unterschiedlichen Haltungsbedingungen innerhalb der EU klar, dass eine Haltungskennzeichnung, nur Sinn macht, wenn auch gleichzeitig die Herkunft deklariert wird.

In Oberbibrach, am Hof der Familie Thurn tauschten sich Schweine-Erzeuger mit dem Vizepräsidenten des Bayerischen Bauernverbandes Eli Eibisch aus.
Foto: rw

Herausforderung: Ideologische Positionen

Zunehmend werden die ideologisch geprägten Meinungsbilder in der Gesellschaft eine Herausforderung für die produzierenden Betriebe. Anfeindungen, Vorurteile und fehlende Zusammenhänge bei den Verbrauchern drücken das Stimmungsbild in der Landwirtschaft. Betriebe wünschen sich eine neutrale Berichterstattung, die alle Aspekte miteinbezieht. Wir wollen die Ernährer der Zukunft sein – das beinhaltet eine nachhaltige Erzeugung von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Wir wollen den Verbrauchern, egal welcher Ernährungsform mit gesunden und heimischen Erzeugnissen versorgen. Der Umbau der Landwirtschaft geht mit enormen Investitionen für die Familienbetriebe einher. Damit sich Betriebsleiter für eine Investition entscheiden, braucht es eine langfristige Planungssicherheit und damit den Rückhalt der Politik. Politik wird von der Gesellschaft gemacht – Der Gesellschaft muss wieder ein Bewusstsein für die Landwirtschaft gegeben werden, damit gemeinsam an den jetzigen und zukünftigen Herausforderungen gearbeitet werden kann, nach Lösungen gesucht wird und ein positives Umfeld für (zukünftige) Betriebsleiter geschaffen wird.

Wir sind bereit uns Veränderungen anzupassen, wir brauchen dazu eine Gesellschaft

die hinter uns steht, uns zuhört und mit uns nach Lösungen sucht. Wir brauchen aufgeklärte Verbraucher*innen die durch sachliche und faktenbasierte Informationen passende Entscheidungen für sich selbst treffen können.