Bundesregierung stockt Mittel für Bevölkerungsschutz deutlich auf – Wie viel Sicherheit ist genug?
BONN. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland wird mit erheblichen zusätzlichen Finanzmitteln gestärkt – das ist die zentrale Botschaft des zweiten Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2025. Die Regierung reagiert damit auf zunehmende Krisenrisiken: Extremwetter, technologische Störfälle und geopolitische Spannungen sorgen für ein sicherheitspolitisches Klima, das eine stärkere staatliche Vorsorge erfordert. Doch während das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) die Maßnahmen als längst überfällig und wegweisend einstuft, bleibt Kritik nicht aus.
Milliarden für Sicherheit – und die Frage nach der Wirksamkeit
Im Haushaltsjahr 2025 sollen Bundespolizei und BBK zusätzliche Mittel erhalten – allein für Zivil- und Katastrophenschutz werden laut Bundesregierung über 400 Millionen Euro für das BBK bereitgestellt. Bis 2026 soll dieser Bereich mit weiteren rund 700 Millionen Euro gestärkt werden. Die Investitionen fließen u.a. in moderne Warnsysteme, neue Schutzräume, Notbrunnen, Fahrzeugflotten sowie Schulungsmaßnahmen im Krisenmanagement.
BBK-Präsident Ralph Tiesler bewertet die Aufstockung der Mittel als „konkreten Beitrag zur Stärkung der Resilienz unserer Gesellschaft“. Die technische Aufrüstung, der Ausbau des Sirenennetzes, die Förderung von Zufluchtsorten und neue Selbstschutzkampagnen seien Bausteine einer „zivilverteidigungstüchtigen Bundesrepublik“. Auch die Bundesakademie für Bevölkerungsschutz soll endlich in die Lage versetzt werden, Entscheidungsträger umfassend auf komplexe Krisen vorzubereiten.
Alte Defizite, neue Pläne
Dass der Staat nun entschlossener handelt, liegt auch an Defiziten, die spätestens durch die Ahrtal-Katastrophe im Jahr 2021 deutlich wurden. Sirenen waren vielerorts abgeschafft, Koordination und Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Kommunen lückenhaft. Seither wächst der politische Druck. Kritiker mahnen allerdings, dass es nicht bei Symbolpolitik bleiben dürfe. Warn-Apps und Cell Broadcasts seien wertlos, wenn Menschen im Notfall nicht wissen, wie sie handeln sollen.
Ein weiteres Problem ist die föderale Struktur: Viele Aufgaben des Katastrophenschutzes liegen bei den Ländern, teils sogar bei den Kommunen. Ob das BBK – trotz seiner Rolle als „zentrale Koordinierungsstelle“ – in der Praxis durchgreifend agieren kann, bleibt fraglich. Der Ruf nach mehr Kompetenzen des Bundes wird lauter, insbesondere wenn es um standardisierte Notfallpläne und Infrastrukturmaßnahmen geht.
Schutzräume und Wassersicherheit – Realität oder Fernziel?
Als besonders ambitioniert gelten die Pläne zum Ausbau von Schutzräumen. Ein modernes Konzept soll bestehende Zufluchtsorte identifizieren und nutzbar machen – eine Pilotförderung ist im Bundeshaushalt 2026 vorgesehen. Doch Expertinnen und Experten warnen: Viele Schutzräume aus Zeiten des Kalten Kriegs wurden zurückgebaut oder vernachlässigt, neue Standorte müssten erst geschaffen werden. Was kurzfristig möglich ist, bleibt offen.
Ähnlich verhält es sich mit der Sicherung der Wasserversorgung. Zwar ist geplant, Notbrunnen zu ertüchtigen und mobile Transportkapazitäten aufzubauen, doch sind die Maßnahmen eher auf langfristige Krisenszenarien ausgelegt – akute Belastungen, etwa durch Hitze oder Stromausfälle, könnten schneller eintreten als die Planungen greifen.
Zwischen Vertrauen und Verantwortung
Innenminister Alexander Dobrindt bezeichnet die geplanten Investitionen als „Signal für Sicherheit, Schutz und Stabilität“. Doch ob es allein mit Geld getan ist, bleibt umstritten. Sicherheitsforscher betonen: Technische Ausstattung ist nur ein Teil der Lösung. Ohne klare Kommunikation, regelmäßige Übungen und echte Kooperation über föderale Grenzen hinweg sei der Bevölkerungsschutz nicht krisenfest.
Für die Bürger stellt sich eine andere Frage: Reichen die Maßnahmen aus, um im Ernstfall wirklich geschützt zu sein – oder wiegen sie in falscher Sicherheit? Die Antwort darauf wird sich nicht allein in Haushaltszahlen, sondern im Ernstfall zeigen.
Zivilschutz, Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz: Unterschiede und Zuständigkeiten in Deutschland
Die Begriffe Zivilschutz, Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz werden oft synonym verwendet, unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielrichtung und in den zuständigen Ebenen:
Katastrophenschutz
- Definition: Maßnahmen zur Abwehr und Bewältigung von Naturkatastrophen, Unglücken oder technischen Großschadenslagen im Friedensfall (z. B. Hochwasser, Blackout, Chemieunfall).
- Zuständigkeit: Ländersache. Die Bundesländer organisieren den Katastrophenschutz über ihre Behörden und kommunalen Strukturen (z. B. Landratsämter, Feuerwehren, Hilfsorganisationen).
- Bundesbeteiligung: Der Bund unterstützt ergänzend durch das BBK und das Technische Hilfswerk (THW), z. B. mit Material oder Ausbildung.
Zivilschutz
- Definition: Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, wenn es zu einem militärischen Konflikt oder Verteidigungsfall kommt – etwa Schutzräume, Alarmierung, Versorgung im Kriegsfall.
- Zuständigkeit: Bundesangelegenheit. Der Bund – insbesondere das Bundesministerium des Innern (BMI) über das BBK – ist für Konzeption und Koordination zuständig.
- Besonderheit: In Friedenszeiten wird der Zivilschutz kaum sichtbar aufgebaut, soll im Krisenfall jedoch schnell hochgefahren werden.
Bevölkerungsschutz
- Definition: Übergeordneter Sammelbegriff für alle staatlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung – umfasst Katastrophen- und Zivilschutz, aber auch Prävention, Selbstschutz und Krisenkommunikation.
- Zuständigkeit: Geteilte Verantwortung. Bund, Länder und Kommunen arbeiten gemeinsam – der Bund koordiniert über das BBK, die operative Verantwortung liegt meist bei den Ländern bzw. Kommunen.