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Vom Turban bis zur Sandale: Der richtige Stoff für die Kemnather Passion

Von Carolin Böckl

KEMNATH. Was ziehe ich an? Über die Outfitfrage müssen sich die rund 130 Darsteller der Kemnather Passion keine Gedanken machen. Hinter den Kulissen sorgt das engagierte Kostümt-Team mit Hingabe, Erfahrung und Liebe zum Detail dafür, dass jeder Mitwirkende in einem passenden Gewand auf die Bühne tritt. Die akribische Vorbereitung ermöglicht es den Schauspielern und dem Publikum, ganz in die Geschichte einzutauchen. Am vergangenen Wochenende wurden alle Schauspieler von Kopf bis Fuß eingekleidet – eine wahre logistische Meisterleistung.

Ein roter Faden in der Kostümgestaltung

„Es muss ein roter Faden da sein“, erklärt Kostümschneiderin Beate Stock. Gemeint ist damit, dass alle Kostüme aufeinander abgestimmt sein müssen, um ein harmonisches Gesamtbild auf der Bühne zu schaffen. Seit der Passion 2013 arbeiten sie, Monika Popp, Elke Linkel und Waltraud Müller an diesem anspruchsvollen Projekt. Neu im Team ist Franziska Baier, die in diesem Jahr erstmals Bühnenluft schnuppert.

Seit Anfang Januar lagern die Kostüme in der Mehrzweckhalle, vorsortiert nach Umkleidekabinen. Diese sorgfältige Vorbereitung ermöglicht es, die vielen Mitwirkenden effizient auszustatten. Ein geübter Blick für die richtige Größe ist dabei essenziell: „Wenn so viele Leute eingekleidet werden müssen, kann nicht jeder zwei oder drei Kostüme anprobieren, bis eines passt.“ Um Verwechslungen zu vermeiden, wird jeder Name direkt in den Kragen des jeweiligen Kostümteils geklebt.

„Neues Leben“ für alte Leinensäcke

„Theaterkostüme werden ganz anders verarbeitet als normale Kleidungsstücke“, erläutert Beate Stock. Da sie immer wieder von unterschiedlichen Darstellern getragen werden, müssen sie leicht anzupassen sein. Großer Wert wird zudem auf hochwertige Stoffe gelegt, die über einen spezialisierten Handel in Augsburg bezogen werden. Billige „Faschingsstoffe“ kommen ihr nicht unter die Nadel.

Besonders authentisch ist das Gewand von Jesus-Darsteller Roland Krauß in der Kreuzweg-Szene. Es besteht aus mehr als 100 Jahre alten, gebrauchten Leinensäcken, was ihm eine einzigartige Authentizität verleiht.

Von Brillen bis Bärten: Historische Genauigkeit bis ins Detail

Damit die Inszenierung so authentisch wie möglich wirkt, müssen moderne Accessoires wie Brillen, Uhren und Schmuck abgelegt werden. Gefärbte Haare können unter einer Kopfbedeckung verborgen werden, doch die Bärte der Darsteller sind echt. Seit Monaten lassen viele Schauspieler ihre Bärte wuchern – erst nach Karfreitag dürfen sie wieder abrasiert werden.

Neben Gewändern sind auch passende Accessoires wie Gürtel, Kopfbedeckungen, Schleier, Schals und Sandalen entscheidend. Viele Darsteller gehen barfuß, andere bringen eigene Schuhe mit. Die restlichen Schauspieler tragen Sandalen, die über eine Dresdner Firma aus echtem Kamelleder in Israel gefertigt werden. Roland Krauß trägt seit seinem ersten Auftritt als Jesus immer dieselben Sandalen: „Du ziehst sie an und weißt, es sind deine.“

Feuriger Look für Judas

Besondere Aufmerksamkeit galt in diesem Jahr der Neugestaltung des Judas-Kostüms. Beate Stock bearbeitet das Gewand direkt „am Mann“ und zerreißt die säuberlichen Säume in Fetzen. „Wenn Judas im Fegefeuer landet, wird sein Gewand von den Flammen versengt“, erklärt sie. Das helle Gewand wird zusätzlich schwarz eingefärbt, um den dramatischen Effekt zu verstärken.

Schritt für Schritt zur Perfektion

Für jede Spielzeit werden Teile der Kostüme erneuert. 2013 standen die römischen Soldaten und der Hohe Rat im Fokus, 2018 wurden die Apostel und Frauenfiguren neu eingekleidet. Dieses Jahr wurden die jüdischen Wächter sowie Judas neu ausgestattet. Die Gestaltung der Wächter erforderte intensive Recherchen, da es kaum gesichertes Bildmaterial gibt. Nach Abstimmung mit Regisseur Thomas Linkel entschied sich das Team für braune Gewänder und Turbane, um ihre Herkunft aus dem Volk zu verdeutlichen. Jedes neue Gewand erfordert etwa 10 bis 12 Arbeitsstunden.

Nun beginnen die Proben in Kostüm, wodurch die Schauspieler noch tiefer in ihre Rollen eintauchen können. „Es spielt sich im Kostüm ganz anders. Man ist viel mehr in der Rolle drin und bewegt sich anders“, bestätigt Bernd Schraml, Darsteller des Apostel Thomas.

Die Frau hinter den Kulissen

Beate Stock, gelernte Kostümschneiderin aus Vohenstrauß, betreibt einen großen Kostümverleih mit unzähligen historischen Gewändern. Sie stattet Laientheatergruppen von Regensburg bis Bayreuth aus und sammelte über 30 Jahre Erfahrung im Theater, unter anderem als Schneiderin bei den Bayreuther Festspielen. Seit 2013 ist sie fester Bestandteil der Kemnather Passion und sorgt mit ihrem geschulten Blick für das große Ganze und die feinen Details für eine perfekte Ausstattung.